Unter dem Begriff „Heilpädagogisches Reiten” werden pädagogische, psychologische, rehabilitative und soziointegrative Angebote mit Hilfe des Pferdes bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit verschiedenen Behinderungen und Störungen zusammengefasst.
Das Heilpädagogische Reiten ist kein Reitunterricht im herkömmlichen Sinne. Vielmehr geht es um das Erlernen eines tiergerechten Umgangs in einer individuellen Therapie, bei der die Förderung der Persönlichkeit im Vordergrund steht. Beim Heilpädagogischen Reiten wird der Mensch ganzheitlich angesprochen: körperlich, geistig, emotional, sozial.
Nach einem ersten Informationsaustausch wird Interessenten eine „Schnupperstunde” ermöglicht. So kann man sich näher mit dem Thema befassen und alles erst einmal ausprobieren. Nach einer Entscheidung für das Heilpädagogische Reiten wird ein Vertrag ausgefüllt und eine regelmäßige Therapieeinheit vereinbart.
Nach etwa drei bis fünf Einheiten findet ein ausführliches Gespräch statt, in dem alle nötigen Informationen vertieft und individuelle Zielsetzungen geklärt werden.
Je nach Zielsetzung sind Einzel- und Gruppenstunden möglich, die eine Dauer von 30-90 Minuten haben können. Inhalte der Einheiten sind der Umgang mit dem Pferd, Reiten sowie Voltigieren.
„Umgang” bedeutet dabei ein Kennenlernen vom Boden aus. Über alle Sinne werden die Pferde im Stall, auf der Weide, auf dem Reitplatz oder im Gelände wahrgenommen. Das Putzen, die Körper- und Bodenarbeit, nötige Stallarbeiten und das Versorgen der Pferde nehmen einen zentralen Platz in der Gestaltung dieser Einheiten ein.
Zum Umgang mit dem Pferd zählt auch das Wahrnehmen vom Pferderücken aus. Man kann das Pferd von oben durch seine Sinne erspüren, sich der Führung anvertrauen, sich leiten und tragen lassen und lernen, sich auf sich selbst zu konzentrieren...
Auf die dreidimensionale Bewegung des Pferderücken (auf-ab, vor-zurück, Rotation) im Schritt muß ständig reagiert werden. Dabei wird unter anderem der Gleichgewichtssinn gefördert und geschult.
Bei zunehmender Sicherheit werden vermehrt Übungen im Reiten oder Voltigieren aufgenommen. Dazu können Vorübungen auf einem Holzpferd stattfinden. Vor allem die Aspekte der Selbständigkeit, der Einwirkung, des Gleichgewichts, der Erfahrung von Geschwindigkeit, der Bewegungslust sowie der Körpergeschicklichkeit spielen in dieser Phase eine Rolle.
Die Einbeziehung von sich, dem Pferd und der Umgebung, die Gemeinschaft und die Zusammenarbeit mit anderen Menschen und Tieren unter natürlichen Bedingungen werden geübt. Im weiteren Verlauf werden alle Therapiesegmente gezielt gefestigt.
Jede Einheit im Heilpädagogischen Reiten wird hinsichtlich ihrer Zielsetzung und Durchführung vor- und nachbereitet. Über jeden Teilnehmer wird eine Dokumentation mit abschließenden Gutachten erstellt. Auf Wunsch kann eine Zusammenfassung in Form eines Kurzberichts am Ende der Einheiten zur Verfügung gestellt werden.
Neben dem Heilpädagogischen Reiten sind auch der Austausch mit den Eltern/Erziehungsberechtigten zur Ergänzung des Gesamtbildes notwendig. Bei längeren Sequenzen sollten nach dem Erstgespräch weitere Gesprächstermine vereinbart werden, um die Zielsetzung gegebenenfalls adäquat zu verändern.
Grundsätzlich steht des Heilpädagogische Reiten allen Interessierten offen. Entwicklung, Empfinden und Verhalten können durch das Heilpädagogische Reiten im Rahmen eines ganzheitlichen therapeutischen Ansatzes günstig beeinflusst werden.
Dabei wird das Medium Pferd als Beziehungs- und Erziehungshilfe in Sozialisationsprozessen eingesetzt, um positive Verhaltensänderungen bzw. eine Förderung der Persönlichkeitsbildung zu bewirken. Besonders „therapiemüde” Kinder sprechen auf das Pferd besser an, da immer die Möglichkeit des Reitens im Vordergrund steht.
